Die Cursillista will anonym bleiben. Aufgezeichnet von P. Thomas im Juli 2021.
Ich musste mit einem Augenleiden ins Krankenhaus. Dort fand ich mich mit einer anderen Dame auf dem Zimmer. Wir machten uns bekannt und kamen gut miteinander aus. Sie erzählte mir, dass sie anschließend auf Reha käme. Der Arzt hätte ihr schon gesagt, dass sie da wohl auch ein Gespräch mit einem Psychologen bekäme. Darauf hätte sie geantwortet: „Ich habe da was, mit dem ich mit niemandem rede, auch nicht mit einem Psychologen! Lieber breche ich die Reha ab.“
Irgendwann habe ich sie dann einmal gefragt, ob sie gläubig sei. Sie sagte: „Nein! Ich will auch nichts wissen von der Kirche und vom Glauben. Ich glaube nicht! Ich will das einfach nicht. Ich bin zwar katholisch getauft, aber das war es auch!“ Darauf sagte ich nur: „Ja, wegen mir ist das gleich, ob du gläubig bist oder nicht.“
Es kam der Sonntag und über Lautsprecherdurchsage wurde für 10:30 Uhr zum Gottesdienst in der Kapelle eingeladen. Ich sagte: „Da gehe ich hin“. Sie gab keine Antwort darauf. Als es dann soweit war, habe ich sie gefragt: „Magst du nicht mitgehen?“ Sie: „Nein, wenn ich da jetzt mitginge, dann wäre das ja gegen meinen Willen.“ Ich: „Ja, du musst ja nicht.“ Dann bin ich schon fast bei der Tür gewesen, als sie noch einmal sagte: „Nein, ich gehe nicht mit, das wäre gegen meinen Willen.“ Ich: „Du musst ja nicht… Ich gehe jetzt.“ Dann fügte ich hinzu: „Du musst dir den Gottesdienst nicht so vorstellen, wie du das als Kind erlebt hast, denn damals sind Gottesdienste anders gehalten worden als sie heute gehalten werden. Vielleicht kannst du ja einen guten Text mitnehmen.“
Darauf sagte sie: „Ach warte, ich glaube, ich gehe doch mit!“. Wir sind also zusammen zur Kapelle marschiert und ich war doch ein bisschen aufgeregt. Ich habe mir gedacht, hoffentlich sagt jetzt der Pfarrer auch das Richtige. Im Stillen betete ich zu Jesus: „Jesus, bitte, berühre sie. Rühre sie an, dass sie irgendetwas mitnehmen kann.“ Und den Heiligen Geist habe ich im Gebet auch dazugeholt.
Wir sind also in die Kapelle hineingekommen, da saßen etwa 15 Leute, mindestens zehn im Rollstuhl. Der evangelische Pfarrer eröffnete den Gottesdienst und spielte auf dem Klavier. Aber das war so furchtbar, denn er hat so sehr in die Tasten hinein gehauen, dass ich meinte, sie würden unten wieder herauskommen. Ich habe bei mir gedacht: Um Gottes Willen! Genau, wo meine Bettnachbarin jetzt dabei ist…
Ich war weiter im Gebet mit Jesus. Dann fing der Pfarrer an zu predigen und sprach über seinen Dienst als Seelsorger für die Patienten. Wie wichtig das Gespräch wäre und dass es immer schon zum Heilungsprozess beitragen würde und so weiter. Mich hatte das jetzt nicht so angesprochen, aber ich hoffte, dass sie ja vielleicht doch irgendwo angebissen hatte.
Der Gottesdienst ging zu Ende und wir kamen aus der Kapelle heraus. Ich habe mich nicht getraut, sie zu fragen, ob der Gottesdienst ihr gefallen hätte oder nicht. Ich habe mir einfach gedacht, sie wird schon etwas sagen. Dann kam als erste Äußerung: „Boah, ich dachte, der schlägt die Tasten vom Klavier kaputt.“ Darauf antwortete ich: „Ja, das habe ich mir auch gedacht.“ Sie: „Aber irgendwie hat mich die Predigt angesprochen. Die Predigt…, ich weiß nicht, wie ich sagen soll, aber da war was.“ Da habe ich mir gedacht: Jesus, super, dann hast du sie doch ein bisschen erwischt.
Wieder auf dem Zimmer angekommen, wurde uns das Mittagessen gereicht. Am Abend sagte sie zu mir: „Mir geht der Pfarrer nicht mehr aus dem Kopf.“ Ich: „Achso, war der so interessant für dich?“ Sie: „Ja, ich weiß auch nicht warum, ich weiß nicht warum…“
Und auf einmal hat sie angefangen zu reden: „Ich sage dir jetzt was, das habe ich noch niemanden gesagt. Meine Mutter hatte mir kurz vor ihrem Tod eröffnet, dass ich ein Kind aus einer Vergewaltigung bin. Das ist so schlimm für mich. Ich weiß nicht, wer mein Vater ist und ich leide sehr darunter.“ Und wir sprachen noch eine Weile darüber. Immer wieder sagte sie: „Der Pfarrer, der Pfarrer, der war so etwas von gut.“
Für mich wurde klar, da hat der Heilige Geist gewirkt und einen wichtigen Punkt bei ihr berührt. Dass sie endlich ihr Geheimnis einem Menschen hat anvertrauen können, ist – wie der Pfarrer in der Predigt schon gesagt hatte – der Beginn des Heilungsprozesses. Ich habe die Frau danach viel befreiter und offener erlebt als zuvor.